Why We Fight #5 – Proportia Divina

oder: Über die Kunst eine ausgeglichene Armeeliste zu schreiben.

Als Goldener Schnitt (lateinisch sectio aurea, proportio divina) wird das Teilungsverhältnis einer Strecke oder anderen Größe bezeichnet, bei dem das Verhältnis des Ganzen zu seinem größeren Teil (auch Major genannt) dem Verhältnis des größeren zum kleineren Teil (dem Minor) gleich ist

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Schnitt

Was hat ein mathematisches Verhältnis, das in der Kunst, der Architektur und der Mathematik eine große Bedeutung trägt mit Warhammer zu tun? Im heutigen Artikel möchte ich über meine Erfahrungen mit ausgeglichenen und „schönen“ Armeelisten sprechen, und wie sich diese von Turnierlisten unterscheiden.

Vielfach besteht ja der Wunsch in der Spielerschaft „fluffige“, oder „erzählerische“ Armeelisten zu spielen. In einem der vorherigen Artikel bin ich ja auch schon auf dieses Thema eingegangen, und habe einige Ideen aufgezeigt wie man auch sub-optimale Einheiten spielbar machen könnte. In der heutigen Kolumne soll es jedoch um eine Art Leitfaden, oder vielleicht eher Philosophie gehen, mit der man an den Listenbau herangehen kann, und die der üblichen (Turnier-)lehre doch stark widerspricht.

Regel 1: Wenn etwas gut ist, nimm es zweimal!

Der Turnier-orientierte Listenbau

Wenn man im Internet nach Tipps für Warhammer 40k Armeelisten fragt bekommt man häufig folgenden Ratschlag: suche das stärkste Modell des Codex raus, nimm es so oft wie du kannst, und fülle dann mit den restlichen Punkten Schwachstellen auf. Danach nimmst du das zweitbeste Modell und wählst es so oft wie du kannst. Wiederhole bis die Punkte voll sind.

Diese Art des Listenbaus fokussiert die Strategie der Zielüberlastung. Man geht davon aus, dass man so viele Einheiten einer bestimmten Klasse dabei hat, dass dem Gegner die Waffen ausgehen um diese effektiv handhaben zu können. Somit bleibt einem genug Zeit, die wenigen Einheiten, die einem wirklich gefährlich werden können, auszuschalten. Diese Art von Listen können dann entweder fahrzeuglastig (Flieger-Spam, Panzer-Spam) oder infanterielastig (Hordenlisten) sein. Die Grundannahme ist, dass die wenigsten Listen gegen die man auf einem Turnier antreten wird, den Hard-Counter gegen die eigene Strategie darstellen.

Diese Eldar-Armee ist vielleicht „fluffig“ (Thema: schnelle Antigrav Angriffstruppe), aber sehr einseitig. Die Strategie lautet: Maximierung von Trefferwurfmodifikatoren. Spiele gegen so eine Armee machen nur wenigen Armeen Spaß.

Mit einer solchen All-In Strategie kann man mit etwas Glück ein Eintagesturnier gewinnen, da die Chancen gut stehen eben nicht gegen genau die andere Monoliste gepaired zu werden die einen selber kontert. Gegen alle anderen Gegner hat man dann ein leichtes, wenn auch vielleicht einseitiges Spiel.

Genau das wollen wir vermeiden!

Wenn wir vom erzählerischen Spiel reden, dann meinen wir Spiele deren Ausgang offen ist. Die in Runde 4-5 entschieden werden, und bei denen beide Seiten sich langsam und gleichmäßig abnutzen. Bei denen beide Spieler aktiv und interaktiv am Spielgeschehen teilhaben, und bei denen nicht eine Hälfte der Armee mehr oder weniger nutzlos am Rande steht.

Wie erreichen wir aber diesen Idealzustand, und was zum Teufel hat das mit dem Goldenen Schnitt zu tun?

Erfahrungen

In meiner Erfahrung bei Spielen im Club hat es sich bewährt, wenn ich die Armee möglichst „breit“ aufgestellt habe. Ich habe mich bewusst gegen die Zielüberlastungsstrategie entschieden und die beste Einheit eben nicht mehrfach gespielt. Bei der Verteilung der Rollen (Nah- oder Fernkampf) habe ich versucht nur bis zum Verhältnis des Goldenen Schnittes (etwa 60/40, möglich ist aber auch 1/3-2/3) zu gehen. Eine reine Beschussarmee ist sehr einseitig und fällt schnell zusammen wenn man den falschen Gegner hat. Eine Panzerwand kann eine unvorbereitete gemischte Liste im wahrsten Sinne des Wortes überfahren. Eine Horde wird eine bunte Truppe immer überrennen.

Custodes verkörpern den goldenen Schnitt, da jedes Modell ein Alleskönner ist, etwas besser im Nahkampf als im Fernkampf.

Aber wenn beide Armeen bunt gemischt sind und es etwa gleiche Verhältnisse von Beschuss- und Nahkampfeinheiten, Fahrzeugen, Monstern und Infanteriemodellen gibt, dann kann jede Armee mit jeder anderen interagieren. Ich kann mir schon vorstellen, wie der innere Turnierspieler jetzt zuckt, da es ja dort das wichtigste Ziel ist dem Gegner die guten, offensichtlichen Ziele zu verweigern. Wir müssen beim narrativen Spiel aber einfach anders denken.

Hier ist es wichtig, dass Dinge passieren. Laserkanonen müssen sich durch Panzer fressen, und Horden sollen von Bolterfeuer vernichtet werden. Nichts ist langweiliger als ein Spiel wo man sich an Trefferwurfmodifikatoren oder unzerstörbaren Fahrzeugen abrackert. Spannende erzählerische Spiele brauchen Zerstörung auf beiden Seiten. Für jeden Triumph des einen Spielers muss man dem Mitspieler einen Sieg gönnen. Natürlich werden die Würfel hier mal die eine oder die andere Seite bevorzugen.

Warnsignale

Neben der Verteilung von Beschuss und Nahkampfelementen sollte man natürlich auch vermeiden andere Strategien zu sehr zu fokussieren. Problematisch haben sich folgende Dinge herausgestellt:

  • Psi-Spam: Hier ist die Gefahr hoch, dass die Armee des Mitspielers gar nichts machen kann (Tau, Dark Eldar, Necrons)
  • Alpha-Strike: Wir wollen das die Spiele spät entschieden werden, das schließt solche Konzepte aus, die das Spiel in einem Ruck in Runde 2 entscheiden wollen. Es ist in Ordnung ein paar Elemente zurückzuhalten, aber es macht wenig Spaß wenn der Mitspieler in der ersten Runde keine sinnvollen Ziele hat.
  • Extreme Mobilität. Wenn man nur sehr schnelle Einheiten spielt, die immer vor den Nahkampfeinheiten des Mitspielers weglaufen können, wir ihm auch die Lust daran vergehen und er packt beim nächsten Mal doch die sichere Shooty-Einheit ein.
  • Extremes Buff-Stacking: Mittlerweile kann man mit geschickter Auswahl von Charaktermodellen so viele Buffs auf Einheiten wirken, dass diese wesentlich mehr können als ihre Punkte vortäuschen. So wird natürlich das „Balance“-Kozept des goldenen Schnittes ad absurdum geführt. Das Ziel sollte also sein, dass die „effektiven“ Punkte entsprechend der Ratio verteilt sind.

Wichtig ist vor allem eins: dass kein Spieler vor dem Spiel das Gefühl hat: die Schlacht ist schon entschieden.

Meine liebste Armee war eine Eldar-Brigade zu Fuß, bei der ich jeden Aspekt und 3 Phönixkönige dabei hatte . Flexibilität ohne Ende, aber wenig fokussierter Punch.

Diese Ergebnisoffenheit erreicht man meiner Meinung nach nur, indem man monothematische Konzepte, seien sie noch so „fluffig“, zuhause lässt, und so spielt wie Games Workshop es uns zeigt. Mit den bunten Listen aus den White Dwarf Spielberichten, bei denen jeder Turnierspieler die Hände über dem Kopf zusammenschlägt.

Denn auch dies ist Ziel des erzählerischen Spiels: Herauszufinden, wie viel man aus einer gegebenen Situation herausholen kann, auch wenn man nicht die mathematisch optimale Armee auf das Schlachtfeld führt.

Fazit

Versucht doch mal, euch beim nächsten erzählerischen Spiel mit eurem Mitspieler abzusprechen, und die Armee nach folgenden Kriterien aufzubauen:

  • Verteilung der Punkte für Nahkampf und Fernkampfspezialisten bis zu 60/40 (oder 40/60)
  • Verteilung der Punkte für Fahrzeuge/Infanterie bis zu 40/60
  • Die beste Einheit nicht doppeln, sondern stattdessen die zweitbeste in der gleichen Rolle mitnehmen.
  • Spielt nicht mehr als einen Eldar Wave Serpent, der ist nie gut für narrative Spiele (eigene leidvolle Erfahrung, bzw. Leid der Mitspieler).

Das war es dann auch schon wieder für heute. Ich hoffe ihr konntet meinen Ausführungen folgen. Und wie immer würde ich mich natürlich auch über Kommentare hier unter dem Post, im Forum oder per Mail an narrative@ars-bellica.de freuen. Teilt eure Erfahrungen zum Thema Armeelisten mit uns und euren Mitspielern und erzählt mir welche Tipps & Tricks ihr nutzt um eure Armeen passend für erzählerische Spiele zu bauen.

Ein Gedanke zu „Why We Fight #5 – Proportia Divina“

  1. Sehr schöne Ausführung. Die würde ich genauso unterschreiben. Vielleicht noch als Ergänzung dazu: Gerade im erzählerischen Spiel ist die Kommunikation mit dem Gegenspieler auch sehr wichtig. Ich habe bisher sehr gute Erfahrungen damit gemacht, mich vorher mit dem Gegenspieler abzusprechen und mehr oder weniger gemeinsam zwei Listen zu bauen, die dann gegeneinander spielen. Dann hat man immer noch mal einen etwas kritischeren Blick auf die eigenen Überlegungen.
    Eine zweite Möglichkeit wäre, die Listen auch der erzählten Mission anzupassen. Auf welchem Planeten, findet die Schlacht statt? Welche Truppen sind da stationiert bzw. zu erwarten? Ist es nur ein Vorgeplänkel oder ist es schon die Hauptschlacht? Auf diese Weise könnte man schon gemeinsam mit seinem Mitspieler festlegen, welche Einheiten unbedingt dabei sein müssen und welche auf keinen Fall auftauchen dürfen.

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